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29.09.2021

Lebensraum für Schmetterling und Co.

Expertin klärt in Ausschuss über Bedeutung von Blühwiesen auf

Verständnis wecken

In einer Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bau und Umwelt hielt Diplom-Biologin Christina Grätz von der Nagola Re GmbH Jänschwalde einen interessanten Fachvortag zum Thema Blühwiesen. Mit diesem Beitrag möchte die Stadt Senftenberg auf die Wichtigkeit von artenreichen Blühwiesen hinweisen und für mehr Akzeptanz der Bürger werben. Im Vortrag ging es speziell um die Funktion, Herstellung, Etablierung und Unterhaltungspflege solcher Flächen.  

Die Spezialistin berichtete von ihren praktischen Erfahrungen, die sie in den letzten Jahren mit zahlreichen Versuchsreihen gesammelt hatte. Es wurden viele Empfehlungen zum Mähen von Wiesen, Wegrändern und vieles mehr gegeben. Zum Beispiel, wann der richtige Zeitpunkt und was die beste Methode ist. Zu den Anregungen gab es einige Anfragen, aber auch Bedenken, denn viele Bürger haben kein Verständnis dafür, wenn die Wiesen nicht kurz gehalten werden. Es wurde deutlich gemacht, dass oft Nachfragen von Anliegern kommen, wann endlich gemäht wird. Hier ist die Öffentlichkeitsarbeit natürlich wichtig. Denn wenn eine Erklärung folgt, warum erst zu einem späteren Zeitpunkt gemäht werden soll, stellt sich auch bei Vielen ein Bewusstsein ein. Zunächst stellte sich die Frage, wo Blühflächen entstehen können. Diese können überall entstehen. Nicht nur die Landwirtschaft, sondern jeder kann etwas dazu beitragen. Blühflächen oder auch Blühstreifen können z.B. an Wegrändern, in Privatgarten, auf kommunale Grünflächen zum Beispiel als Straßenbegleitgrün oder in Verkehrsinseln, in Solarparks oder als Ausgleichsflächen angelegt werden. Auch die kleinste Fläche ist als Lebensraum für eine artenreiche Pflanzen- und Tierwelt nützlich. Nicht zuletzt tragen artenreiche Blühflächen auch zur Bereicherung des Landschaftsbildes bei.  

Welche Bedeutung hat das Anlegen solcher Flächen? Es geht in erster Linie darum, Lebensräume und Überlebenschance für Tiere und Pflanzen in der zum Teil ausgeräumten Kulturlandschaft oder im Siedlungsbereich zu schaffen. Das heißt vor allem, Lebensräume für heimische und zum Teil seltene Pflanzenarten, sowie Strukturen als Schutz-, Brut- und Rückzugsflächen für Wildtiere wie zum Beispiel Wildbienen, Schmetterlinge, viele Bodenbrüter, Fledermäuse und viele andere Arten zu schaffen. Wichtig dabei sind ein ganzjähriges Nahrungsangebot und vor allem Flächen zu schaffen, die untereinander verbundenen sind. Sogenannte Vernetzungs- oder Verbindungsstrukturen, damit Biotope sich verbinden können.  Ob die jeweilige Struktur eine hohe Bedeutung hat, hängt vom hohen Artenreichtum der jeweiligen Flächen ab. Damit ist der Reichtum an unterschiedlichen, vor allem heimischen Pflanzenarten wichtig. Denn nur passende Nektar- und   Pollenfutterpflanzen sind nützlich. Das heißt, wir brauchen geeignete Pollenspender. 30 % der Wildbienenarten nehmen z.B. Pollen nur an einer Pflanzenart oder Gattung auf. Auch viele Schmetterlingsarten brauchen ganz spezielle Pflanzenarten. Als Beispiel wurde genannt, nicht irgendeine, sondern eine ganz bestimmte Glockenblume.  

Wichtig ist also eine hohe Strukturvielfalt in der Landschaftsumgebung zu schaffen. Denn beispielsweise benötigen Wildbienen Orte zum Nisten. Diese müssen sich in einer Entfernung von 100 bis maximal 300 Meter befinden. Den Wildbienen nützen also Blühflächen nur, wenn in der Umgebung Nistmöglichkeiten, das heißt lockerer Erdboden, Hänge, Böschungen, Gestein, morsches Holz, alte Stängel, Mauern und vieles mehr vorhanden sind. Andere Arten wie Schwebfliegen benötigen wiederum Alt- und Totholz zum Nisten. Fledermäuse benötigen Dunkelkorridore zwischen ihrem Quartier und dem Jagdhabitat sowie Strukturen in der Landschaft für die Orientierung. Braunkehlchen zum Beispiel benötigen 100 bis 150 Meter Abstand zu geschlossenen Wäldern, 50 Meter Abstand zu befahrenen Straßen.  

Bei der Anlage und auch bei der Pflege werden aus Unwissenheit oft Fehler gemacht. Das richtige Anlegen von Blühflächen ist nicht so einfach. Auf Ackerflächen funktionieren die Ansaaten am einfachsten, erklärt die Spezialistin. Eine Wiese, die vorhanden ist, in eine insektenfreundliche Blühwiese umzuwandeln, erfordert viel Mühe in der Vorbereitung. Die Flächen müssen entsprechend für die Ansaat vorbereitet werden. Das heißt, die Flächen müssen zuvor aufwändig bearbeitet werden. Wichtig ist, nicht im Bestand rein zu säen. Die Wiese muss vor der Ansaat umgebrochen werden. Für eine erfolgreiche Herstellung solcher Flächen ist eine ein bis zwei-jährige fachliche Betreuung erforderlich. Wichtig ist hierbei wieder Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, um eine Akzeptanz zu erreichen, da diese Flächen nicht zu jeder Zeit schön aussehen.  

Wie immer wieder betont wurde, kommt es darauf an, keine fremdländischen Arten zu verwenden. Das beginnt schon bei der Beschaffung des Saatgutes. Saatgut sollte nur aus regionaler Produktion verwendet werden, denn heimische Schmetterlinge können die Pollen von Pflanzen, die aus dem Saatgut anderer Regionen entstanden sind, nicht nutzen. Pflanzen blühen in jeder Region zu verschiedenen Zeiten. Bei uns verwendetes Saatgut aus Hessen würde zum Beispiel zu früh blühen. Zu diesem Zeitpunkt ist der heimische Schmetterling noch nicht so weit entwickelt, dass er einen Nutzen davon hätte. Wie schon erwähnt, benötigt jede Art ihren speziellen Lebensraum. Um diesen nicht zu zerstören ist Wissen nötig. Viele heimische Bienen graben unterirdische Bodennester. Der Boden auf diesen Flächen darf deshalb mehrere Jahre nicht bearbeitet werden. Denn Populationen von Insektenarten benötigen mehrere Vegetationsperioden um sich aufzubauen. Es ist auch wichtig zu wissen, dass die meist im Herbst nicht so schön aussehenden Pflanzenstängel und Blütenkapseln als Überwinterungshabitat und als Nistplatz dienen. Es sollte also vor dem Winter nicht die gesamte Fläche weggemäht werden. Für die überwinternden Insekten reicht es aber schon aus, wenn einige Blühstreifen stehen gelassen werden. Das Schnittgut ist allerdings zu beräumen.

All das ist nur ein Teil dessen, was für ein Gelingen einer solchen Fläche und den Erhalt des wertvollen Lebensraumes wichtig ist.

Zusammenfassend wurde deutlich, dass Blühflächen mit heimischen Wildpflanzen aus regionaler Herkunft am wertvollsten für die Insekten- und Tierwelt sind. Kulturpflanzen blühen prachtvoller, produzieren aber oft nur wenig Pollen und Nektar, den die heimischen Insekten nicht verwerten können. Ebenso verhält es sich mit den ausländischen Wildarten. Diese können oft von unseren heimischen Insekten nicht bestäubt werden. Heimische Wildpflanzen sind an die regionalen Standort- und Klimabedingungen angepasst und ein breites Blütenangebot bietet vielen Insekten über einen längeren Zeitraum Nahrung. Dieses Ziel will die Stadt Senftenberg auf den städtischen Flächen nach und nach erreichen.

Foto: Blühwiese Margaretengraben in Brieske. (Foto: Stadt Senftenberg)